Der Generationenvertrag

 

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In Familienunternehmen ist es in der Regel die dritte Generation, die grundsätzliche Fragen zur Aufstellung und Zukunft des Unternehmens stellt. Häufig kommt es dabei zu Spannungen innerhalb der Familie. Diese grundsätzlichen Fragestellungen lauten:

  • Sollten die Interessen der Familie oder des Unternehmens an erster Stelle stehen?
  • Wie können die unterschiedlichen Vorstellungen der Familienmitglieder zur richtigen Führung des Unternehmens ausgeglichen werden?
  • Sollte die nächste Führungskraft aus der Familie kommen oder extern rekrutiert werden?

Wie haben es die beständigsten Familienunternehmen Europas geschafft, die häufigsten Fallstricke zu umgehen? Und was können jüngere Familienunternehmen von ihnen lernen?

In Zusammenarbeit mit der Bocconi-Universität haben wir Interviews mit Führungskräften der zehn erfolgreichsten Familienunternehmen Europas geführt, um herauszufinden, welche Strategien ihnen das langfristige Überleben gesichert haben.

 


 

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Familienunternehmen

Interviews mit Führungskräften

Jahre Beständigkeit

 


 

Familie oder Unternehmen: Was kommt zuerst?

Im Jahr 1972 wagten die Kinder des Porsche-Gründers Ferdinand Porsche einen kühnen Schritt: Sie beschlossen, dass alle Familienmitglieder ihre Führungspositionen aufgeben sollten, um die Leitung des Unternehmens ausschließlich familienexternen Führungskräften zu überlassen.

Warum haben sie diese Entscheidung getroffen?

Trotz aller Bemühungen war die Familie nicht in der Lage, sich darauf zu einigen, wer in der nächsten Generation die Führung des Unternehmens übernehmen sollte. Keine Option war konsensfähig. Also beschlossen sie, dass es besser sei, sich ganz aus der Geschäftsleitung herauszuhalten. Diese Entscheidung erwies sich als vorausschauend. Ein halbes Jahrhundert später steht es sowohl um das Unternehmen als auch um die Familie gut.

Jeder Inhaber eines Familienunternehmens steht eines Tages vor der schwierigen Entscheidung, ob er die Interessen der Familie oder des Unternehmens an erste Stelle setzt.

Zunächst ist es ganz natürlich, einer "Business first"-Mentalität zu folgen. Für Gründer ist das Geschäft alles. Sie widmen ihre gesamte Zeit, Energie und Ressourcen dem Unternehmen und erziehen ihre Kinder in diesem Sinne.

Aber in der dritten Generation, wenn die Familie größer wird und sich verzweigt, wächst das Bestreben, die Familie in den Mittelpunkt zu stellen: der Hauptzweck des Unternehmens besteht jetzt darin, die Familie zu unterstützen, und nicht umgekehrt.

Familienmitglieder übernehmen die obersten Führungspositionen, unabhängig davon, ob sie über die richtigen Fähigkeiten, Talente oder Erfahrungen verfügen. Und Gewinne, die in das Unternehmen reinvestiert werden könnten, fließen stattdessen in die Familienkasse. Die Familienmitglieder fangen an, geschäftliche Entscheidungen auf der Grundlage dessen zu treffen, was für sie und ihre unmittelbaren Familienangehörigen am besten ist, und nicht danach, was für das Unternehmen das Beste ist.

Wenn Familien wie Porsche die Weitsicht haben, zu erkennen, dass sie das Wachstum des Unternehmens an erste Stelle setzen, dann stellen sie indirekt auch die Bedürfnisse der Familie an erste Stelle. Indem sie sich selbst aus dem Unternehmen heraushalten, geben sie dem Management den Raum und die Freiheit, das zu tun, was im besten Interesse des Unternehmens ist - was wiederum die Familie stärkt.

Die Familie Porsche ist nicht allein. Alle zehn Familienunternehmen, mit denen wir gesprochen haben, haben irgendwann in ihrer Geschichte mutige und schwierige Entscheidungen getroffen, die das Unternehmen über den Familienstolz gestellt haben. Dazu gehören Entscheidungen über:

  • Die Familie – zum Beispiel die Entscheidung, dass Familienmitglieder nicht im Topmanagement vertreten sein dürfen, bis hin zur Entlassung von aus der Familie stammenden Führungskräften, wenn sie nicht die nötige Leistung bringen
  • Eigentumsverhältnisse – zum Beispiel der Verkauf von Anteilen an einen anderen Zweig der Familie, um die Führung des Unternehmens zu stärken
  • Governance – zum Beispiel die Einrichtung eines Familienrats, der als Sprachrohr der Familie fungiert und die Ideen und Anliegen der einzelnen Mitglieder koordiniert
  • Management – zum Beispiel die Einstellung von Führungskräften, die überwiegend oder ausschließlich von außerhalb der Familie kommen

Was alle erfolgreichen Familienunternehmen eint, ist das Verständnis darüber, dass das Wachstum des Unternehmens der beste Weg ist, um es über Generationen hinweg zu erhalten. Ein weiteres Merkmal ist ihre Entschlossenheit, schwierige Entscheidungen zu treffen und dabei Egoismus, Familienstolz und kurzsichtige Eigeninteressen nicht zuzulassen bzw. zurückzustellen.

 

Fazit:

Stellen Sie sicher, dass jeder in der Familie versteht, dass «Family first» bedeutet, Wohl und Wachstum des Unternehmens an erste Stelle zu setzen. Das ist der Weg, um die Zukunft des Unternehmens für die kommenden Generationen zu sichern.


 

Ich gegen Wir: Spannungen in der Familie ausgleichen

In Familienunternehmen treten Spannungen besonders häufig in der dritten Generation auf. Der Familienstammbaum wird breiter und die verschiedenen Familienzweige beginnen, ihre eigenen Ideen und Ambitionen zu entwickeln. Das kann schnell das gemeinsame Verständnis von Identität und Ausrichtung des Unternehmens untergraben, also den Kern des Unternehmens, der von vorangegangenen Generationen mit großer Sorgfalt und Anstrengung geschaffen wurde.

In dieser Phase tappen Familienunternehmen oft in eine von zwei Fallen. Einzelne Mitglieder der Familie fangen entweder an, ihre eigenen Interessen über das zu stellen, was für das Unternehmen am besten wäre (Ich vor Wir), oder sie konzentrieren sich zu sehr auf gemeinsame Ziele und ignorieren die legitimen Bedürfnisse der einzelnen Familienmitglieder (Wir vor Ich). In beiden Fällen entsteht ein Ungleichgewicht, das das Unternehmen und die Familie in entgegengesetzte Richtungen zieht.

Viele Familienunternehmen versuchen, dies zu verhindern, indem sie eine Reihe von gemeinsamen Grundsätzen oder Werten schriftlich festhalten. Zum Beispiel ein Leitbild, eine Absichtserklärung oder eine Reihe von Werten, auf die sich alle Familienmitglieder einigen können.

Dies kann zwar eine nützliche Übung sein, aber die von uns befragten zehn Familien tun noch etwas anderes: Sie erkennen an, dass nicht alle in allen Fragen einer Meinung sein müssen.

Stattdessen versuchen sie, ein Grundmaß an Zusammengehörigkeit zu schaffen – gerade genug, um alle daran zu erinnern, dass sie Teil einer größeren Familie mit einem gemeinsamen Erbe sind und dass ihre eigenen persönlichen Bedürfnisse und Meinungen mit denen aller anderen abgeglichen werden müssen.

Diese Familien haben verstanden, dass sie sich zwar in einigen zentralen, geschäftskritischen Fragen einig sein müssen (z.B. Eigentumsverhältnisse, Unternehmensführung, Nachfolge), dass sie aber in anderen Fragen durchaus auch unterschiedlicher Meinung sein können. Alles, worauf sie sich einigen müssen, ist ein gemeinsamer Nenner von Grundwerten oder Überzeugungen – um genügend Gemeinsamkeiten zu finden, damit jeder das Gefühl hat, dazuzugehören und einen Platz und eine Stimme im Unternehmen zu haben.

 

Fazit:

Suchen Sie nach Möglichkeiten, die Familienbande zu stärken und zu erhalten, wenn die Familie größer wird – sei es durch eine Veranstaltung wie ein jährliches Treffen oder ein gemeinsames Grundstück oder einen verbindenden Ort. Suchen Sie nach Gemeinsamkeiten und erkennen Sie gleichzeitig an, dass nicht jeder in der Familie mit allem einverstanden sein muss.


 

Familie vs. familienfremde Führungskräfte: Wie man die richtige Wahl trifft

Eine der schwierigsten Fragen, mit denen sich jedes Familienunternehmen konfrontiert sieht, ist die Frage der Nachfolge. Wer ist am besten geeignet, das Unternehmen zu führen und das Überleben in der nächsten und übernächsten Generation zu sichern?

Es gibt die unausgesprochene Annahme, dass bei der Nachfolge ein Mitglied der Familie zum Zug kommt. Die Nachfolge basiert eher auf der Familienzugehörigkeit als auf Verdiensten. Und jemanden von außerhalb der Familie einzustellen, wird als Verrat oder Eingeständnis des Scheiterns empfunden.

Die Familienunternehmen, mit denen wir gesprochen haben, sind sich zwar bewusst, wie wichtig es ist, das Wissen über die Bedeutung der Familie für das Unternehmen zu bewahren, aber sie sind grundsätzlich offen für familienfremde Führungskräfte. Tatsächlich hatten acht der von uns befragten zehn Familien in der dritten Generation bereits einen familienfremden CEO.

Was diese Unternehmen auszeichnet, ist, dass sie der Eignung einer Führungskraft uneingeschränkt Vorrang geben, unabhängig davon, ob sie aus der Familie kommt oder von außerhalb. Das bedeutet, dass sie auch bei einer Rekrutierung aus den eigenen Reihen erwarten, dass Familienmitglieder die Ausbildung und Fähigkeiten mitbringen, um höchsten Anforderungen gerecht zu werden.

Wenn niemand innerhalb der Familie die Voraussetzungen erfüllt, sind sie bereit, über die eigene Verwandtschaft hinauszuschauen, um die Person zu finden, die am besten geeignet ist. Und wenn ein Familienmitglied in einer Führungsposition nicht die nötige Leistung erbringt, schrecken sie nicht davor zurück, es zu entlassen.

Dieser Ansatz hat zwei Vorteile.

  • Familienmitglieder, die eine Rolle im Unternehmen anstreben, werden motiviert, hart an ihre Qualifikationen zu arbeiten: Niemand macht sich die Illusion, dass er oder sie nur aufgrund seiner oder ihrer familiären Beziehungen einen Spitzenjob bekommt.
  • Weniger talentierte oder motivierte Familienmitglieder werden davon abgehalten, sich um Spitzenpositionen im Management zu bemühen.

Einige unserer Familien sind sogar noch weiter gegangen und haben Familienmitgliedern den Zugang zu Führungspositionen gänzlich verwehrt. Auf diese Weise haben sie sichergestellt, dass kein Zweig der Familie ein größeres Mitspracherecht oder einen größeren Anteil an der Unternehmensleitung beansprucht als die anderen.

 

Fazit:

Scheuen Sie sich nicht, außerhalb der Familie geeignete Führungskräfte zu identifizieren. Stellen Sie sicher, dass alle Familienmitglieder, die eine aktive Rolle im Unternehmen spielen wollen, wissen, dass sie sich ihren Platz verdienen müssen und ohne Rücksicht auf ihre Familienzugehörigkeit nach ihren Leistungen beurteilt werden.


 

 

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